Der 17. Juni – ein (gesamt-)deutscher „Erinnerungsort“?

Debatte über die Bedeutung eines Gedenktages

Für die einen war es ein „Arbeiteraufstand“, für andere gar ein „Volksaufstand“. Die SED stigmatisierte ihn zum „faschistischen Putsch“; in Westdeutschland wurde er zum „Tag der deutschen Einheit“ – all dies Bezeichnungen, die die Geschehnisse einiger Juni-Tage in Berlin und ca. 450 anderen Städten und Ortschaften der DDR simplifizierten und mythisierten. Weder war im Sommer 1953 das gesamte Volk der DDR beteiligt (sondern nur etwa eine Million Menschen); „Faschisten“ schon gar nicht. Die Mutigen auf den Straßen Ostdeutschlands protestierten anfangs gegen die Erhöhung der industriellen Arbeitsnormen, der Lebensmittelpreise und die galoppierende Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft. Forderungen nach einer „Wiedervereinigung“ waren nur vereinzelt zu hören. Es waren vielmehr die Medien, politischen Eliten und große Teile der Bevölkerung Westdeutschlands, die von „Einheit und Freiheit aller Deutschen sprachen“ und den 17. Juni höchst kreativ für ihre unterschiedlichen Politikoptionen instrumentalisierten. Die Sympathie für die rebellierenden Bürger in der „Zone“ schlug oftmals um in einen radikalen Antisozialismus und andere „anti-östliche“ Feindbilder.

Die beginnende Blockkonfrontation im „Kalten Krieg“ tat ein Übriges, um die beiden deutschen Staaten weiter voreinander zu entfremden. Die alte „BRD“ forcierte ihre Westbindung, die DDR ihre „Freundschaft“ zum „großen Bruder“ Sowjetunion. Die SED lockerte 1953 zwar die wirtschaftlichen Pressuren, baute zugleich aber einen Überwachungsstaat aus, für den bald die Kürzel „VP“, „Stasi“ und „NVA“ standen. Viele Ostdeutsche flohen aus den ungeliebten Verhältnissen in den „Westen“ …bis 1961 „die Mauer“ dies fast unmöglich machte. Die Mehrheit der DDR-Bevölkerung aber richtete sich in der „sozialistischen Heimat“ ein und versuchte ein gelungenes Leben zu führen… „trotz alledem“ – was meist auch gelang.

Ein Trauma blieb der 17. Juni nur für diejenigen, die man angeklagt und eingesperrt hatte – und für die SED-Nomenklatura. Als im August/September 1989 der Unwillen der DDR-Bevölkerung mit Händen zu greifen war, fragte Erich Mielke seine Mitarbeiter: „Ist es jetzt so, dass morgen der 17. Juni ausbricht?“